„Eine neue Verbuntung von Welt und Kirche wird auf uns zukommen”, meint Univ. Prof. Paul Zulehner beim Beiratsgespräch im U‑Hof in Linz. Der anerkannter Pastoraltheologe und ‑soziologe ist in vielen Diözesen unterwegs, „um die Entwicklung der spirituellen Dimension in den europäischen Kulturen anzuschauen”. Zulehner hat mit seinen europäischen Werte-Studien einen Überblick darüber, wie sich Gesellschaft und Kirche ändern, wie sich neue Entwicklungen darstellen und abzeichnen. Er zieht aus heutiger Sicht den Schluss daraus. „Ziel ist nicht eine Monokultur des Glaubens, sondern eine neue weltanschauliche Verbuntung”. Er ist auch überzeugt, dass sich die Religionen auf der politischen Bühne zurückmelden und nicht ins Private abgedrängt werden. Ein Grund liegt alleine schon im wandernden Islam. Außerdem gibt es 43 % „kämpferische Kulturchristen”. Zulehner hofft, dass diese Vielfalt als Chance begriffen wird und es ist alles zu tun, „damit es nicht zu einem Clash of Religions kommt.” Dabei wir die Gerechtigkeitsfrage eine große Rolle spielen.
Kann die Verantwortung mithalten?
„Da mein Vater am Patentamt gearbeitet hat, bin ich schon von klein auf an allen Neuerungen interessiert gewesen und das bin ich bis heute”, erzählt Zulehner: „Der unglaubliche Fortschritt in der Wissenschaft hat mich schon überrascht und ich frage mich oft, ob die Verantwortung hier mithalten kann.” Er spricht den Zugriff auf den Zellkern und ebenso auf den Atomkern an. Es ist ihm wichtig, dass gerade aus den Religionen der Impuls über Verantwortung in den öffentlichen Diskurs eingebracht wird.
Pluralitätslust — Pluralitätstoleranz — Pluralitätsmanagement
Worauf es in der Politik ankommen wird? Die Antwort auf diese Frage skizziert Zulehner so: „Vielfalt ist toll und deshalb braucht es ein Pluralitätslust. Gerade in der Politik ist davon wenig zu spüren. Das braucht weiter die Pluralitätstoleranz. Wir dürfen uns freuen an den Stärken der anderen und lassen die Leiden der anderen an uns heran. In besonderer Weise braucht es gesellschaftlich ein Pluralitätsmanagement. Es geht darum, dass diese Vielfalt vielfältig bleibt und gerecht wird.” Zulehner sieht heute weit verbreitete Phobien, die genau hier dagegen arbeiten und im politischen Alltag geschürt werden. Wir brauchen viele, die für einen Teil oder Aspekt denken. Wir brauchen aber ebenso viele, die für das Ganze denken, eben „Staatspolitiker”. Warum er im Beirat von ACADEMIA SUPERIOR ist? „Das Networking mit Leuten, die zur selben Situation einen ganz anderen Zugang haben, hat mich gereizt”, meint Zulehner und weist auf die besondere Bedeutung der „Interdisziplinarität und Durchlässigkeit” hin. Bevor er wieder aufbricht zum Studientag mit Pfarrgemeinderäten betont Zulehner die individuelle Verantwortung jedes einzelnen in seiner Situation, „ob in der Politik oder in der Kirche”.