Bei der Veranstaltung „Radikale Innovation: Chancen für die oberösterreichische Wirtschaft” der ACADEMIA SUPERIOR — Gesellschaft für Zukunftsforschung im SIEMENS-Forum Linz referierte der deutsche Autor und Innovationsforscher Jens-Uwe Meyer über Innovationskulturen in Unternehmen und diskutierte mit anwesenden Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik über Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass radikale Innovationen in Oberösterreich stattfinden können.
Öffnung und Mut zum Risiko als Treiber für Radikale Innovation
Manche neue Technologien haben das Potential, unser Leben radikal zu verändern. Computer, Smartphones, Digitalkameras oder das Internet sind nur einige Beispiele für Technologien, die alte Gewohnheiten grundlegend verändert und neue Märkte etabliert haben. Wer bei der Entwicklung derartiger Innovationen die Nase vorne hat, ist bestens gerüstet im globalen Wettbewerb — sei es als Unternehmen oder als Region.
Deshalb setzt die ACADEMIA SUPERIOR — Gesellschaft für Zukunftsforschung auf dieses Thema und diskutierte im Rahmen einer Veranstaltung, wie die Entwicklung radikaler Innovationen gefördert werden kann und welche Chancen und Risiken diese für heimische Unternehmen bieten.
Innovation ist eine wesentliche Triebfeder des Standortes
Die große Bedeutung von Innovation für Unternehmen und Standorte ist unumstritten. Nur wer sich ständig weiterentwickelt und neu erfindet, hat langfristig Bestand. Oberösterreich ist auf die Innovationskraft angewiesen.
„Die Attraktivität des Standortes gewinnt durch Innovationskraft und Technologieführerschaft.” – Michael Strugl
Wachstumssieger in Oberösterreich sind hoch Spezialisierte und in Nischen Tätige — oft mit weltweitem Erfolg. Umso wichtiger ist es, sensibel zu sein für neue Entwicklungen.
Wir brauchen beides, inkrementell und radikale Innovationen
Als Industriestandort braucht Oberösterreich, schrittweise sogenannte „inkrementelle” Innovationen und radikale Innovationen, die über das Bekannte hinausgehen, bahnbrechende Ideen und Visionen beinhalten und Märkte nachhaltig verändern oder neue schaffen.
„Radikale Innovation ist die Speerspitze für das, was Oberösterreich erfolgreich macht und wesentlicher Teil der Standortstrategie. Wir müssen sie fördern und Rahmenbedingungen schaffen, dass sie in Oberösterreich stattfinden können.” – Michael Strugl
Innovation ist neben Exzellenz und Verantwortung eine der drei Grundwerte, die bei Siemens gelebt werden. Daraus entstand auch die Kooperation zu dem Thema mit der Siemens Niederlassung Linz, wie Vorstand Dr. Josef Kinast bekräftig.
„Innovation ist unser Lebenselixier.” – Josef Kinast
Siemens hat im vergangenen Jahr 5,7% vom Umsatz in die Forschung investiert. Zum Vergleich: der öffentliche Bereich hat das Ziel, eine Forschungsquote von 4% des BIP zu erreichen.
Machen, nicht warten!
Der Autor und Innovationsforscher Dr. Jens-Uwe Meyer verdeutlich in seinen Ausführungen einmal mehr den Unterschied und die Folgen von inkrementeller und radikaler Innovation. Die stetige Verbesserung von Produkten und Prozessen auf der einen Seite ist unbedingt notwendig und auch ausreichend, solange ein Markt nicht ausgereizt ist. Allerdings läuft man als Unternehmen Gefahr, zu einem „Innosaurier” zu werden: gewichtig, aber langsam und behäbig. Darin besteht die große Gefahr, bedeutende Entwicklungen zu versäumen.
Radikale Innovation hingegen verändert eine Branche nachhaltig. Das wird in den eigenen Reihen im ersten Moment meist ungern gesehen, da sie notwendigerweise einhergeht mit der Zerstörung oder gar Kannibalisierung von Bestehendem.
„DER VORTEIL DER RADIKALEN INNOVATIONEN IST, DASS ICH MIR EINE MARKTPOSITION LANGFRISTIG ERSCHLIESSEN KANN, DIE ES SO NOCH GAR NICHT GIBT.” – JENS-UWE MEYER
Radikale Innovation setzt Mut und Visionen voraus, um langfristig den entscheidenden Vorsprung zu erbringen. Daraus abgeleitet lauten die drei grundlegenden Thesen von Jens-Uwe Meyer:
- Nicht nur verbessern, sondern Erneuern
- Ideen in allen Bereichen zulassen, seien sie noch so klein oder marginal
- Das kreative Potenzial anderer nutzen
Die Veranstaltung fand mit Unterstützung der Siemens AG Österreich statt.
Gleichzeitig Bestehendes verbesserund radikal Neues zulassen
Die Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bot Einblicke in die unterschiedlichen Dimensionen radikaler Innovationen.
„Die Gründung der ACADEMIA SUPERIOR war, politisch gesehen, eine radikale Innovation.” – Michael Strugl
Als Beispiel eines großen, etablierten Unternehmens mit einer 100jährigen Firmengeschichte, berichtete Mag. Valborg Burgholzer-Kaiser von der Eisenbeiss GmbH, was es bedeutet, auch radikale Innovationen in einer konservativen Branche der Hochleistungsgetriebe zu integrieren. Sie ist Unternehmerin des Jahres 2013 und gewann 2014 den Innovationspreis des Landes. Hier setzt das Unternehmen in Zukunft auf den Einsatz von Elektronik in der Überwachung von Getriebesystemen.
„Das Bekenntnis, radikale Innovationen zu ermöglichen, muss in der Geschäftsführung verankert sein.” – Valborg Burgholzer-Kaiser
Ganz anders die Perspektive eines Start-Ups. Direkt von der Fachhochschule weg entwickelten DI (FH) Klaus Haberl und zwei Studienkollegen einen Pizza-Automaten, der in der Gründung der BistroBox GmbH resultierte. Seine Erfahrung: Man muss wirklich an sein Produkt glauben und wenn einem vorher bewusst wäre, wie lange und schwierig der Prozess ist, würde man vielleicht gar nicht erst anfangen. Hartnäckigkeit, Leidenschaft, große Freiräume — und eine gute Portion Glück — sind für Haberl deshalb die entscheidenden Elemente, um radikale Innovationen auch tatsächlich auf den Markt zu bringen.
„Ich habe geglaubt, die ganze Welt wartet auf uns. Das war aber nicht so.” – Klaus Haberl
Wissenschaftlich erforscht Dr. Stefan Konlechner vom Institute of Human Resource and Change Management an der Johannes Kepler-Universität Linz, wie radikale Innovationen aus Sicht der Organisationsstruktur und Unternehmenskultur ermöglicht und erfolgreich implementiert werden können.
„Innovation ist ein Querschnittsbereich.” – Stefan Konlechner
Die Antwort verortet der Wissenschafter in der „Ambidextrie”, der Beidhändigkeit — also dem gleichzeitigen Verbessern von Bestehendem und dem Zulassen von radikal Neuem, welches später in bestehende Strukturen übergeführt wird. So gilt es, eine Balance zwischen Innovation und Effizienz zu finden und auf beides gleichermaßen zu setzten.
Es ist Aufgabe des Managements und des Bildungssystems, Menschen mit der „Lust am Gestalten” frühzeitig zu entdecken und ihnen Rahmenbedingungen zu bieten, die Kreativität und Innovationen ermöglichen.
„Man braucht jemanden an der Spitze, der gute Ideen erkennen kann und die Phantasie dafür aufbringt, dass daraus etwas entstehen kann.” – Jens-Uwe Meyer
Meyer sieht es auch als gesellschaftlichen Auftrag, eine Atmosphäre zu schaffen, wo deutlich mehr Menschen sich ihren Arbeitsplatz selbst schaffen wollen. Er wünscht sich eine Gesellschaft, in der in Zukunft nicht mehr nur einer von 50, sondern 10 von 50 ihren Arbeitsplatz selbst schaffen möchten.
Nach der Diskussion ist evident: Innovation ist eine Querschnittsmaterie und für neue, radikale Ideen braucht es Freiräume und entsprechende Rahmenbedingungen.
Wirtschaftslandesrat und Obmann der ACADEMIA SUPERIOR Dr. Michael Strugl sieht einen wichtigen Hebel darin, die Forschungskapazität in- und außerhalb von Unternehmen am Standort zu stärken. Es geht auch darum, Finanzierungen zu ermöglichen und den Mut aufzubringen, dass sich eine gewisse Risikokultur etablieren kann.
Im Vorfeld der Veranstaltung wurde ein Strategieforum „Radikale Innovationen und disruptive Technologien” mit oberösterreichischen Expertinnen und Experten abgehalten.
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