Partnerschaft mit Konflikten
Europa und die USA verbindet die weltweit bedeutendste wirtschaftliche und strategische Partnerschaft. Dennoch sind beide Seiten mit großen Herausforderungen konfrontiert. Unterschiedliche Zugänge zu Beschäftigung, Sicherheit und Umweltschutzvorschriften, oder den staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft betreffend, führen jedoch regelmäßig zu Konflikten und stehen einem transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) noch im Weg. Doch warum sollen die USA und Europa überhaupt noch enger zusammen arbeiten? Was sind die wirtschaftlichen und strategischen Beweggründe? Welche Rolle aus Sicht der USA kommt Österreich als Mitglied der EU und der OSZE bei der Förderung von Frieden und Wohlstand zu und welche zukünftige Rolle spielt die NATO?
Über diese Fragen wurde bei einem roundTABLE in der ACADEMIA SUPERIOR mit dem Gesandtem der U.S. Botschaft in Wien, Lee Brudvig, diskutiert. Der Botschafter betonte besonders, dass Europa und Amerika auf die Kooperation angewiesen sind, wenn ihre globale Bedeutung nicht zurückgehen soll.
Säulen der Partnerschaft
Lee Brudvig identifizierte drei wesentliche Säulen der Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa, die den beiden Partnern helfen ihre gemeinsame Agenda der Verknüpfung von Demokratie, Marktwirtschaft und Wohlstand zu verwirklichen:
- EU — Die Europäische Union steht für Brudvig vor allem für die wirtschaftliche Kooperation zwischen den europäischen Staaten untereinander und mit den USA.
- NATO — Die North Atlantic Treaty Organization garantiert die gemeinsame Sicherheit und die USA würden eine „Common European Defence Policy” unterstützen — auch wenn diese unabhängig von der NATO agieren würde.
- OSZE — Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa steht für die Förderung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechte.
Im Rahmen dieser Säulen werde die transatlantische Kooperation primär auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren müssen. Dabei hätten die letzten 15 Jahre einige wichtige Entwicklungen gesehen, die von großer Bedeutung für die transatlantischen Beziehungen sind: Die Europäische Union ist von 15 auf 28 Mitglieder angewachsen; die USA wollen nicht mehr länger die alleinige Weltpolizei sein; die schwierige ökonomische Entwicklung; und der globale Terrorismus, welcher die demokratischen Grundwerte der Gesellschaften erschüttert.
Die USA und Europa sind für Lee Brudvig zu einer Schicksalsgemeinschaft geworden, weshalb es nötig sei, zu kooperieren und der Welt zu zeigen, dass „Wohlstand und Demokratie zusammengehören”.’
Das Freihandelsabkommen TTIP
Die Diskussion drehte sich primär um das zwischen der Europäischen Union und den USA geplante Freihandelsabkommen TTIP. „Europa und Amerika sind auf die Kooperation angewiesen, wollen wir unseren Einfluss in der Welt nicht an China und Indien verlieren”, gab Brudvig zu denken und fügte hinzu: „Die USA sehen eine wesentliche Rolle des Freihandelsabkommens auch in der wirtschaftlichen Stabilisierung der angeschlagenen europäischen Wirtschaften”. Denn TTIP bedrohe, laut dem Gesandten, keine Arbeitsplätze in Europa oder den USA und in der Realität sind die vieldiskutierten Chlorhühner und andere landwirtschaftliche Produkte im Handel zwischen den USA und der EU nur ein winziger Bruchteil des gesamten Handelsvolumens, das primär aus Industrieprodukten, Maschinen und gegenseitigen Kapitalinvestitionen besteht.
Austauschprogramme gegen Misstrauen fördern
Der Diplomat stimmte mit den Anwesenden darin überein, dass das geheime Aushandeln des Abkommens problematisch sei. Dieses Vorgehen widerspricht für den oberösterreichischen Abgeordneten zum Bundesrat, Efgani Dönmez, dem allgemeinen Trend zu mehr Partizipation in der Gesellschaft und biete gerade deshalb auch Raum für Ängste. Auch sei das Vertrauen der europäischen Bevölkerung, wie ein Diskussionsteilnehmer anmerkte, durch die frühere US-Politik und die aktuellen NSA-Skandale schwer erschüttert.
„Um das Misstrauen in Europa gegenüber den USA abzubauen, braucht es eine Intensivierung der Austauschprogramme, wie wir es in Europa mit dem ERASMUS-Programm geschafft haben”, zeigte sich der Dekan der technisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der JKU Linz, Univ.-Prof. Franz Winkler überzeugt und fügte hinzu, dass die Forderung nach mehr Transparenz an die europäischen Regierungen gerichtet sein sollte und nicht an die USA.
Zur Person
Lee Brudvig ist seit 2012 Gesandter der U.S. Botschaft in Wien. Einen Großteil seiner beruflichen Laufbahn hat er in Entwicklungsländern verbracht und engagierte sich für Themen wie nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, multilaterale Diplomatie und humanitäre Hilfe. Seit 1984 ist der hoch ausgezeichnete Karrierediplomat als Beauftragter für Wirtschaftsfragen für das U.S. Außenministerium tätig. Lee Brudvig studierte Wirtschaft an der Yale University und internationale Beziehungen an der Georgetown University. Seine Beiträge zu den Themen Wirtschaftsentwicklung und Finanzwesen werden häufig in akademischen Fachpublikationen veröffentlicht.