Wo liegen die Zukunftschancen für die heimischen Universitäten? Mit Wissenschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner und dem bekannten Genforscher Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger konnten der Club Alpbach Oberösterreich und der oberösterreichische Think Tank ACADEMIA SUPERIOR kompetente Experten für ein Kamingespräch gewinnen, das am Mittwoch Abend in Alpbach zum Thema „Österreichische Universitäten — Quo vadis?” stattgefunden hat.
Wohin entwickeln sich die österreichischen Universitäten?
Für die Zukunft identifiziert Bundesminister Mitterlehner drei zentrale Herausforderungen für die Universitäten: eine stärkere Internationalisierung und internationale Vernetzung, mehr Bedacht auf den Wettbewerb und mehr Profilbildung im Sinne der Stärkung von Stärken. „Zukunft ist nicht nur mehr oder weniger desselben, sondern verlangt auch strukturelle Veränderungen”, so Mitterlehner. Diese Punkte sollen auch Schwerpunkte für die Leistungsvereinbarungen zwischen Universitäten und Bundesministerium werden. Denn auch im internationalen Kontext und wachsenden Wettbewerb wird die Reputation und Profilbildung der Universitäten wichtiger werden.
„Wir haben wenig davon, wenn wir die Entwicklungen nur im Rückspiegel bewerten, das allein bringt noch keine Verbesserungen,” meint Mitterlehner zur Platzierung österreichischer Universitäten in Rankings und spricht dabei auch Herausforderungen innerhalb des Systems an. Dazu gehören etwa eine teils schlechte Betreuungsrelation bei der Anzahl der Studierenden pro Professor bzw. Professorin, der man mit Zugangsregelungen entgegenzuwirken versucht. Ob das die gewünschten Erfolge bringt, soll Anfang 2015 evaluiert werden.
Stellenwert der Universitäten ist unbestritten
Was bleibt für die österreichischen Universitäten übrig, wenn Lehre bedarfsorientiert und kostengünstiger an Fachhochschulen angeboten werden kann und Forschung effizienter in den teils auftragsgetriebenen außeruniversitären Forschungseinrichtungen passiert, will der wissenschaftliche Leiter der ACADEMIA SUPERIOR Markus Hengstschläger, provokant auf den Punkt gebracht, wissen. Akademische Forschung und Lehre bleibt in der österreichischen Hochschullandschaft essentiell, denn nur forschungsgetriebene Lehre geht mit den neuesten Erkenntnissen und es gibt Forschung, die rein dem Erkenntnisgewinn dient, denn nicht alles Wissen ist unmittelbar verwertbar. Doch der Minister sieht durchaus Bedarf für mehr Flexibilität in der Auslegung der Einheit von Forschung und Lehre an den Universitäten. Wichtig ist ihm auch eine bedarfsorientierte Entwicklung der Universitäten. So soll gefragt werden dürfen, ob man wirklich in allen Bereichen das komplette Fächerspektrum braucht. Die zukünftige Rolle der Universitäten soll in einem bedarfsorientierten Universitätsentwicklungsplan festgelegt werden, der derzeit im Ministerium erarbeitet wird.
„Je höher die Bildung, umso geringer das Risiko der Arbeitslosigkeit, umso gesünder die Menschen und umso später der Pensionsantritt.”
Anreizsysteme schaffen
Mehrfach angeschnitten wurde das Problem des Brain Drain: zahlreiche exzellente in Österreich ausgebildete Wissenschafterinnen und Wissenschafter gehen ins Ausland, weil sie dort bessere Rahmenbedingungen vorfinden. Österreich müsse hier an einem Anreizsystem für Absolventinnen und Absolventen arbeiten, dazu gehören etwa durchgängige Karrieremöglichkeiten im Sinne eines Tenure Track Systems. Auch das Potenzial der knapp 15% ausländischen Studierenden an den heimischen Universitäten, von denen viele nach der Ausbildung Österreich wieder verlassen, gilt es, besser zu nutzen und im Sinne einer Internationalisierung positiver zu bewerten.
Interaktion mit der Gesellschaft
Neben der Forschung und Lehre als wichtigste Aufgaben der Universitäten sieht Mitterlehner noch eine dritte Mission, der die Universitäten verstärkt nachkommen sollen: die Interaktion mit der Gesellschaft; oder einfacher ausgedrückt: die Verwertung des Wissen. Dazu gehört die Kommunikation dessen, welchen gesellschaftlichen Beitrag die Forschung leistet, denn zu vielen der von der EU formulierten großen Herausforderungen, wie etwa dem Klimawandel oder den demografischen Veränderungen, werden Lösungsansätze an Universitäten formuliert.
„Neben Forschung und Lehre brauchen wir eine bessere Verwertung des Wissens.”
Bologna besser umsetzen
Die Probleme im Zusammenhang mit der Umsetzung des Bologna-Prozesses sieht der Wissenschaftsminister in erster Linie darin, dass Bologna nicht einheitlich realisiert ist: „Wir müssen lernen, Bologna besser umzusetzen. Dass die meisten Studierenden gleich nach dem BA einen MA anhängen, ist nicht im Sinne von Bologna; da gehört eine berufliche Praxis dazwischen.” Doch hier sprechen die Studierenden zwei wesentliche Problembereiche an: der BA wird allgemein nicht als akademischer Studienabschluss anerkannt und respektive entlohnt. So ist es oft schwierig, nach dem dreijährigen Studium eine adäquate Anstellung zu finden. Zudem seien die meisten Masterprogramme an den Universitäten berufsbegleitend ohnedies nicht realisierbar, da sie als Vollzeitstudien angelegt sind.
„Bologna muss an den heimischen Universitäten noch besser umgesetzt werden.”
Über den enormen Zustrom zur Veranstaltung freuten sich die beiden Gastgeber Landesrat Dr. Michael Strugl, Obmann der ACADEMIA SUPERIOR, und Dr. Christoph Schmidinger, Präsident des Club Alpbach Oberösterreich. Mehr als 120 Personen folgten der Einladung zu dem Kamingespräch und sorgten für einen prall gefüllten Veranstaltungsraum. Die meisten davon waren Studierende, die mit kritischen und pointierten Fragen unter Beweis stellten, dass ihnen die Mitgestaltung der universitären Zukunft Österreichs ein großes Anliegen ist.