Surprise Fact: Digitaler Gedächtnisverlust ist riesig

Das Inter­net hat die glob­alen Wis­sens- und Kom­mu­nika­tion­ssys­teme rev­o­lu­tion­iert und die Art, wie unsere Gesellschaften mit Wis­sen umge­hen und wie sie sich „erin­nern“ nach­haltig verän­dert. Doch um das dig­i­tale Gedächt­nis ste­ht es weniger gut, als man meinen kön­nte. Wie eine aktuelle Analyse eines Teams des amerikanis­chen Pew Research Cen­ters zeigt,1 ver­schwindet ein großer Teil des Wis­sens bzw. des Con­tents in weni­gen Jahren wieder aus dem Netz.  

Für diese Unter­suchung wur­den fast 1 Mio. zufäl­lig aus­gewählte Web­sites, die von der Non-Prof­it Organ­i­sa­tion Com­mon Crawl seit dem Jahr 2007 im www index­iert wur­den, auf ihre Funk­tions­fähigkeit über­prüft. Der Test zeigte: Ein Vier­tel aller Web­sites, die irgend­wann zwis­chen 2013 und 2023 existierten, waren im Okto­ber 2023 nicht mehr aufruf­bar. In den meis­ten Fällen dürfte das daran liegen, dass eine einzelne Seite ein­er anson­sten noch funk­tions­fähi­gen Web­site gelöscht oder ent­fer­nt wurde. 

Bei älteren Inhal­ten und Web­sites ist dieser Trend sog­ar noch deut­lich­er. Etwa 38 % der Web­seit­en, die im Jahr 2013 existierten, sind heute nicht mehr ver­füg­bar, ver­glichen mit 15 % der Seit­en, die 2022 existierten. 

News-Seiten und Behörden

Dieser „dig­i­tale Gedächt­nisver­lust“ find­et in vie­len ver­schiede­nen Bere­ichen der dig­i­tal­en Welt statt. Pew Research unter­suchte unter anderem Links, die im Früh­jahr 2023 auf Regierungs- und Nachricht­en-Web­sites führten. Diese Analyse ergab, dass 23 % der Nachricht­en-Web­sites min­destens einen defek­ten Link enthal­ten, eben­so wie 21 % der Web­seit­en von Regierungs­seit­en. News-Seit­en mit hohem und solche mit gerin­gerem Traf­fic enthal­ten etwa gle­ich häu­fig defek­te Links. Beson­ders häu­fig sind defek­te Links auf Web­sites lokaler Behör­den (vor allem jen­er von  US-Gemein­den) zu find­en.  

Wikipedia

Für diese Analyse wurde eine zufäl­lige Stich­probe von 50.000 englis­chsprachi­gen Wikipedia-Seit­en gesam­melt und die Links in ihrem Abschnitt „Ref­eren­zen“ unter­sucht.  

  • Die über­wiegende Mehrheit dieser Seit­en (82 %) enthält min­destens einen Ref­eren­zlink – das heißt einen, der den Leser auf eine andere Web­seite als Wikipedia selb­st weit­er­leit­et. Ins­ge­samt gab es auf den unter­sucht­en Seit­en etwas mehr als 1 Mil­lion Ref­eren­zlinks. Eine typ­is­che Seite hat­te vier Ref­eren­zlinks.  
  • Die Analyse zeigt, dass 11 % aller auf Wikipedia ver­link­ten Ref­eren­zen nicht mehr zugänglich sind. Auf etwa 2 % der Quell­seit­en mit Ref­eren­zlinks war jed­er Link auf der Seite defekt oder ander­weit­ig nicht zugänglich, während weit­ere 53 % der Seit­en min­destens einen defek­ten Link enthiel­ten. 

Soziale Medien

Um zu sehen, wie sich der dig­i­tale Ver­fall in den Sozialen Medi­en auswirkt, wurde im Früh­jahr 2023 auch eine Echtzeit­stich­probe von Tweets auf der Social-Media-Plat­tform X (damals noch bekan­nt als Twit­ter) gesam­melt und diese drei Monate lang ver­fol­gt. Das Ergeb­nis:  

  • Fast jed­er fün­fte Tweet ist nur wenige Monate nach sein­er Veröf­fentlichung nicht mehr öffentlich auf der Web­site sicht­bar. In 60 % dieser Fälle wurde der Account, der den Tweet ursprünglich gepostet hat­te, auf pri­vat geset­zt, ges­per­rt oder ganz gelöscht. In den anderen 40 % löschte der Accountin­hab­er den einzel­nen Tweet, der Account selb­st existierte jedoch weit­er­hin.  
  • Bes­timmte Tweet-Typen ver­schwinden häu­figer als andere. Mehr als 40 % der auf Türkisch oder Ara­bisch ver­fassten Tweets sind inner­halb von drei Monat­en nach ihrer Veröf­fentlichung nicht mehr sicht­bar. Und Tweets von Accounts mit reinen Stan­dard­pro­file­in­stel­lun­gen ver­schwinden beson­ders häu­fig aus der öffentlichen Ansicht. Dies deutet auf einen hohen Anteil von automa­tisiert erstell­ten Accounts hin. 

Quelle:

Pew Research Cen­ter: When Online Con­tent Dis­ap­pears. 17.05.2024. URL: https://www.pewresearch.org/data-labs/2024/05/17/when-online-content-disappears/ [03.06.2024].