Beim 12. MUTmacherinnen-Talk widmete sich Academia Superior einem wichtigen, aber zu oft verdrängten Themenkomplex: Gewalt in Familien und Menschenhandel und deren Folgen.
Zwei profilierte Kennerinnen waren zum Talk eingeladen: Sr. Maria Schlackl SDS ist Ordensfrau und Dipl. Erwachsenenbildnerin. Sie leitet seit 9 Jahren die Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde in OÖ“, ist seit 15 Jahren gegen sexuelle Ausbeutung in Österreich aktiv und gilt als eine der Stimmen, die nicht davor zurückscheut, die Dinge beim Namen zu nennen. Mag. Andrea Rockenbauer ist Juristin und war 39 Jahre in der Energie AG in verschiedenen Bereichen tätig. Als Soroptimistin koordiniert sie aktuelle die Kampagnen der 58 österreichischen Clubs zur Gewaltprävention „Orange the World“, die sich vorwiegend im Bereich der Prävention einbringen. Das erklärte Ziel ist die Ermöglichung einer selbstbestimmten und gewaltfreien Lebensgestaltung für alle Frauen.
Dr. Claudia Schwarz, Geschäftsführerin von Academia Superior, unterstrich in ihrer Begrüßung, warum Gewaltprävention und ein Vorgehen gegen Menschenhandel ein wichtiges Zukunftsthema ist. Für den Trägerverein der Mutmacherinnen, Frauen im Trend, betonte Vizepräsidentin Stefanie Schauer wie wichtig es ist, aktiv gegen Gewalt einzustehen. Sie selbst hat deshalb eine Charity-Weihnachtsaktion zur Unterstützung von Oberösterreichs Frauenhäusern ins Leben gerufen: https://offisy-charity.at/.
Ein unterschätztes Phänomen
Menschenhandel, erzwungene Prostitution, Gewalt in der Familie und besonders gegen Frauen haben zwar in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit als früher, doch von einer Reduzierung der Problematiken ist man noch weit entfernt. Die international überdurchschnittlich hohe Anzahl von Femiziden in Österreich ist nur ein Zeichen dafür. Im Jahr 2022 waren österreichweit insgesamt 5.279 Sexdienstleisterinnen und Sexdienstleiter registriert – in Oberösterreich ca. 500.[1]
„Die Dunkelziffer der illegalen Prostitution wird mindestens gleich hoch geschätzt“, meinte Maria Schlackl, die darauf verwies, dass, auch wenn Prostitution legalisiert ist, „die große Mehrheit der Frauen und jungen Mädchen – meist Migrantinnen – zuerst von Zuhältern und Madams mit Versprechungen vom goldenen Westen getäuscht und dann zur Prostitution gezwungen werden“. Nur werde das selten zugegeben, weil die Frauen den Behörden kaum vertrauen.
Schlackl verdeutlichte den extrem schwierigen, gefährlichen und langwierigen Weg aus der Prostitution in Österreich anhand des Beispiels einer Frau, die sie persönlich schon über Jahre begleitet. Wenn die Frauen meist nach völlig undenkbarem, grausam erfahrenem Leid den Mut fassen, auszusteigen, sind es oft bürokratische Hürden, die ihnen den Weg erschweren. Hier sind sowohl der Staat als auch die Gesellschaft gefordert, ihnen zu ermöglichen, wieder im Leben abseits von Gewalt und Sexhandel anzukommen und Fuß zu fassen.
Prävention
„Wir leben in einer sexualisierten und immer noch patriarchalen Gesellschaft“, stimmte Andrea Rockenbauer zu und betonte: „Gewalt in der Familie und vor allem die Erniedrigung von Frauen ist ein Phänomen, das alle Schichten der Gesellschaft betrifft“. Der für sie wichtigste Punkt ist die Prävention. „Wir beteiligen uns an Awareness-Kampagnen. Dadurch helfen wir, dass diejenigen, die Informationen brauchen wie ihnen geholfen werden kann, sie auch möglichst einfach finden“.
„Frauenhandel existiert nur aufgrund der Nachfrage am Markt. Dort, also bei den Männern, müssen wir ansetzen. Wir müssen sie zur Verantwortung ziehen und gleichzeitig bilden“, ist Maria Schlackl überzeugt, die die Schwerpunkte von Bildungskampagnen auf Männerbildung und deren Frauen- und Menschenbild legen würde. „Es wird ein langer Weg, aber es braucht ein gesamtgesellschaftliches Umdenken. Nur Verbote und Strafen bringen nichts“, meinte Schlackl.
Andrea Rockenbauer will die Frauen nicht aus der Verantwortung nehmen: „Oft werden Frauen erst aktiv, wenn es ihre Kinder betrifft. Selbst erdulden sie extrem viel“. Es gelte, auch Frauen dafür zu sensibilisieren, dass Eifersucht und Einschränkungen kein Liebensbeweis sind. Rockenbauer verwies auch auf den Wert der „Dein Recht auf deinen eigenen Körper“-Kurse, die heute bereits Standard in Kindergärten und Volksschulen in Österreich sind. „Die Sensibilität gegenüber Gewalt ist gesellschaftlich enorm gestiegen und es gibt viele Initiativen, die sich dagegen engagieren. Was aber noch fehlt ist eine bessere Koordination all dieser Initiativen“, meinte Rockenbauer.
Die auf den Talk folgende engagierte Diskussion mit dem Publikum drehte sich vor darum, wie man die Prävention und Hilfe für Betroffene verbessern kann. Andrea Boxhofer verwies etwa darauf, dass sich Gewalt in Familien meist vererbe, weil betroffene Kinder keine anderen Lösungsmuster für Konflikte kennengelernt haben. Es müsste – etwa durch Frühe Hilfen – auch bei den Eltern angesetzt werden, um diesen Kreis zu durchbrechen.
[1] BMI: Lagebericht 2022. Schlepperei, Menschenhandel und illegales Glücksspiel. Wien 2023 https://www.bundeskriminalamt.at/304/files/Lagebericht_2022_Schlepperei_Menschenhandel_bf_25042023.pdf