DIALOG mit WIFO-Chef Gabriel Felbermayr und Markus Hengstschläger über die wirtschaftliche Zukunft Österreichs und der Welt, Strategien gegen einen Arbeitskräftemangel, Herausforderungen der Energiewende und darüber, dass wir in vielen Bereichen besser sind, als wir glauben.
Die wirtschaftliche Zukunft Österreichs und der Welt stand im Mittelpunkt des 21. DIALOGS der Academia Superior im voll besetzten Südflügel des Linzer Schlosses. Dabei ging es auch um Fragen einer Willkommenskultur, der Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaft und Universitäten sowie der Attraktivierung des österreichischen Arbeitsmarktes.
„Unsere Aufgabe als Academia Superior ist es, die richtigen Fragen für die Zukunft zu stellen. Für neue Ideen und Denkansätze in wirtschaftlichen Fragen haben wir heute dafür mit WIFO-Chef Gabriel Felbermayr und Markus Hengstschläger ein kongeniales Duo,“ freute sich Obfrau Mag. Christine Haberlander vor vollem Haus zu einem Dialog begrüßen zu dürfen, der ganz im Spirit von Academia Superior stand: Herausforderungen offen und klar ansprechen und mögliche Lösungswege aufzeigen.
Als Kooperationspartner der Veranstaltung sprach Mag. Klaus Kumpfmüller, Vorstandsvorsitzender der HYPO Oberösterreich, die große Verantwortung der Wirtschaftsforscher an. Denn sie geben der Wirtschaft mit ihren Prognosen wichtige Signale für die Zukunft, „und vieles in der Wirtschaft ist Psychologie“, referenziert er auf Prophezeiungen, die sich machnmal selbst erfüllen.
„Die hohen Preise sind gekommen, um zu bleiben“
Die Zeiten werden nicht einfacher, das liegt für den Wirtschaftsforscher Felbermayr auf der Hand. Dabei spricht er in erster Linie strukturelle Engpässe an: „Der Arbeitskräftemangel, der sich aus der Demografie ableitet, aber auch der Umbau des Energiesystems werden anstrengend werden, da braucht man sich nichts vormachen.“ Die Zeiten sehr niedriger Inflation werden schwerer zu erreichen sein und Prozentwachstumsraten hochzuhalten, ist für reiche Länder ohnedies schwieriger. Nach einem deutlichen Einkommensverlust 2022 entwickeln sich nun höhere Löhne und Energiepreise auch zunehmend herausfordernd für die Industrie. Der Umbau des Energiesystems braucht Ressourcen, der Wettbewerb um die bereits knappen Ressourcen treibt die Preise in die Höhe. Diese strukturellen Faktoren werden bremsen. Der technische Fortschritt ist deshalb ein wichtiger Faktor für die Aufrechterhaltung unseres Wohlstands.
Früher war die Angst vor Massenarbeitslosigkeit präsent, in Zukunft wird diese Angst verschwinden — und das wissen die Gewerkschaften. Der Arbeitsmarkt ist viel enger und daraus resultiert ein höherer Druck bei den Löhnen. Die Löhne werden stärker steigen, was zu einem höheren Lebensstandard führen kann, jedoch auch wieder zu höheren Preisen für die Güter, die mit Arbeit produziert werden. Eine wichtige Rolle spielt hier auch die Deglobalisierung. Die Flut von billigen Massenprodukten aus z.B. China versickert langsam. Von dort kommt nicht mehr diese preissenkende Dynamik, wie in früheren Jahrzenten.
Während der Corona-Pandemie kam es zu einer merklichen Ausdünnung des Angebots z.B. im Bereich der Gastronomie. Der nun zu verzeichnende Boom auf Seiten der Konsumenten, „die sich im vollen Gastgarten um einen Kellner streiten”, fällt jedoch aufgrund des geringeren Angebots makroökonomisch nicht so stark ins Gewicht.
Im Bereich der Hotellerie punktet Österreich durch ein sehr attraktives, hochwertiges Angebot im Tourismus. Er ist einer der wesentlichen Treiber, der den Dienstleistungssektor am Wachsen hält und den Standort auch für Arbeitskräfte attraktiv macht.
Zielgerichtete Einwanderung als Wettbewerbsfaktor
Der WIFO-Chef spricht sich für eine arbeitsmarktgerechte, zielgerichtete Einwanderung nach Österreich aus. Um den Standort für ausländische Fachkräfte attraktiver zu machen, braucht es nicht nur einen Mix an unterschiedlichen Maßnahmen, sondern auch koordinierte, grenzüberschreitende Initiativen im deutschsprachigen Raum: „Man müsste in den Grenzregionen zusammenarbeiten, weil es auch ein gemeinsamer Arbeitsmarkt ist”, schlägt der Experte vor, um zu verhindern, dass Arbeitskräfte aus dem Ausland nach großen Anstrengungen einzelner Regionen dann regional abwandern.
Auch innerhalb Österreichs ist die Verteilung der Arbeitskräfte in Schieflage. Felbermayr konstatiert:
„Es wäre zum Beispiel gut, wenn ein paar Wiener dorthin gehen würden, wo die Arbeitsplätze sind.”
Was die Zukunft der Hochschulen angeht, stellt Felbermayr die Idee eines Zusammenschlusses europäischer Hochschulen in den Raum. Das könnte ihnen mehr Gewicht geben und dadurch ermöglichen, dass sie im internationalen Ranking besser werden. „Zu viele kleine Unis werden nicht wahrgenommen. Das hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt,“ so der Universitätsprofessor.
Es hat auch Vorteile, kein Innovationleader zu sein
Für Universitäten gilt: Entweder man ist ganz vorne dabei, oder nicht sichtbar. In der Wirtschaft ist das mitunter anders, denn Innovationsführer zu sein, ist immer auch mit großem Risiko verbunden. Man kann sehr erfolgreich sein, wenn man zunächst abwartet und sich dann mit voller Kraft und Energie auf eine Nische spezialisiert und hier zum Weltmarktführer wird. „Wir haben viele solcher ‚hidden champions‘ in Österreich, manche mitunter so versteckt, dass wir gar nicht stolz genug darauf sind,“ weiß der Wirtschaftsexperte: „Wir sind in vielen Bereichen besser, als wir wahrnehmen.“
Im technologischen Fortschritt sieht der WIFO-Chef einen wesentlichen Faktor für die Bewältigung der Klimakrise, die gleichzeitig auch großes wirtschaftliches Potenzial für die Zukunft hält und einem Wohlstandsverlust entgegenwirken kann. Dass es noch große Herausforderungen zu bewältigen gilt, ist unbestritten, doch „der moralische Zeigefinger alleine senkt keine Emissionen,“ mahnt Felbermayr.
Globale Veränderungen
Angesichts der demografischen Entwicklung sehen Expert:innen den Einfluss Chinas auf die Weltwirtschaft deutlich abnehmend, während etwa Indonesien an Bedeutung gewinnt. Einige der größten Herausforderungen, aber auch Chancen, liegen in Afrika, wo in den kommenden 50 Jahren eine Verdoppelung der Bevölkerung prognostiziert wird.
Die Österreicher und ihr Vermögen
Österreich hat eine niedrige Einkommensungleichheit und dennoch eine große Vermögensungleichheit, führte Felbermayr aus. Das liege daran, dass die Österreicher:innen Vermögen oftmals nicht sinnvoll anlegen. Die Möglichkeiten des Kapitalmarktes werden nicht gut erklärt bzw. genutzt. Hier bräuchte man laut Felbermayr politische Maßnahme, wie z.B. die Absenkung der Grunderwerbssteuer. Würde beispielsweise der Einstieg bei Immobilien erleichtert werden, würde die Vermögensungleichheit geringer werden.
„Der Schwarze Schwan wird kommen“
Felbermayr geht davon aus, dass der nächste „schwarze Schwan“ kommen wird – nicht in Form einer Pandemie oder Finanzmarktkrise, sondern in anderen Bereichen. Er hält beispielsweise dazu an, die Korrelation internationaler Wetterschocks genau zu beobachten, die sich etwa auf Ernten gravierend auswirken könnten, wenn sie zusammenfallen. Und es wird darum gehen, sich mit grundlegenden Fragen der Anpassung an eine neue (klimatische) Umgebung zu beschäftigen. „Auf die Welt, wie sie wird, sollten wir uns vorbereiten. Da brauchen wir auch jetzt die Investitionen dafür“, schloß Gabriel Felbermayr den 21. ACADEMIA SUPERIOR Dialog ab.