Es liegt auf der Hand, dass die nächste Generation der „Digital Natives“ – Menschen, die eine Welt ohne Internet nicht mehr kennengelernt haben – einen ganz anderen Zugang zu Algorithmus- und KI-gesteuerten Vorhersagen, Beeinflussungen und Steuerungen hat. Bereits beim Studierenden-Workshop wurde deutlich, dass junge Leute zwar kaum Berührungsängste mit neuen Technologien haben, den möglichen Auswirkungen auf unser Zusammenleben aber durchaus kritisch gegenüberstehen.
Analog und digital schließen sich nicht aus
Wir leben in einer Welt, in der es weder möglich noch sinnvoll erscheint, sich von der Digitalisierung abzuwenden. Wieso auch? Die Vorteile überwiegen in den meisten Fällen, die Verweigerung digitaler Technologien wäre gleichsam ein sozialer Ausstieg. Wer sich nach der guten alten analogen Welt sehnt, glaubt vielleicht auch, dass früher alles besser war. Doch darum geht es gar nicht. Wir können weder auf „analoge Erfahrungen“ noch den digitalen Fortschritt verzichten, denn sie ergänzen sich. So ist es beispielsweise wichtig, dass Kinder mit Maß, Ziel und kritischem Reflexionsvermögen an digitale Technologien herangeführt werden und daneben das „sich Spüren“ in einer vermeintlich analogen Welt nicht zu kurz kommt. Wenn das „Analoge“ in dem Sinne verstanden wird, um in Zukunft eine aktivere Steuerung und Entscheidungsfindung der Nutzerinnen und Nutzer sowie der Politik zu ermöglichen, kann man temporäre Verlangsamungen technologischer Entwicklungen durchaus in Kauf nehmen. Sich ihnen zu verweigern, wäre jedoch der falsche Ansatz.
Algorithmen müssen sich erklären können
In den Diskussionen wurde mehrfach betont, dass Maschinen im Gegensatz zum Menschen keine Moral, keine Gefühle, kein Bewusstsein und keine Absichten haben. Deshalb liegt es an uns – an Bürgerinnen und Bürgern, Entscheidungsträgerinnen und ‑trägern, Politikerinnen und Politikern – die Rahmenbedingungen zu definieren, innerhalb derer intelligente Systeme agieren dürfen. Diesen Rahmen zu schaffen, ist vielleicht eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Das bedeutet auch, dass wir keine Maschinen oder Technologien entwickeln und einsetzen dürfen, die wir nicht mehr verstehen oder deren Entscheidungen und Handlungen nicht mehr vom Menschen nachvollziehbar oder vorhersehbar sind.
Wie wollen wir soziale Roboter einsetzen?
Unter den richtigen Umständen bringt ein sozialer Roboter in der Form eines humanoiden Begleiters viele Vorteile mit sich. So könnte er beispielsweise in verschiedenen Situationen unterstützen oder entlasten, etwa als Begleiter für einsame oder alte Menschen mit Demenz. Dabei könnte er nicht nur das Gefühl des Alleinseins nehmen, sondern gleichzeitig in Gefahrensituationen Rettungskräfte informieren.
Ein menschlicher Rückschritt wäre es jedoch, wenn solche Roboter aus Bequemlichkeit oder geringer Wertigkeit von zwischenmenschlichen Beziehungen zum Einsatz kommen und jegliche Interaktion zu ersetzen versuchen. Hier geht es um die Würde des Menschen, da gibt es keine technologischen Abkürzungen.
Wenn Privatsphäre eine Illusion ist
Vielleicht ist das Ende der Privatsphäre bereits eingeläutet. Aber auch wenn wir die „Illusion“ unserer Privatsphäre hinter uns lassen, sollten wir uns darüber Gedanken machen, wer unsere Daten kontrolliert und wozu sie verwendet werden. Die Politik ist angehalten, dafür Sorge zu tragen, dass Daten von österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern auf Servern in Europa oder Österreich und nicht in den USA oder China gespeichert und archiviert werden. Die Diskussion um das Ende der Privatsphäre sollte uns in jedem Fall alle dazu anregen, eigene Meinungsbildungsprozesse neu zu hinterfragen, den sinnvollen Einsatz neuer Technologien voranzutreiben und ihn aktiv mitzugestalten.
Leitfragen für die Zukunftsgestaltung
Aus den Diskussionen zu den „Predictive Futures“ ergeben sich einige große Leitfragen, die uns jetzt und in Zukunft beschäftigen werden: Was müssen Bürgerinnen und Bürger über neue Technologien und algorithmusgesteuerte Abläufe wissen und wie kann man dieses Wissen vermitteln, um den Menschen informierte Entscheidungen zu ermöglichen? Wie kann man Menschen im Umgang mit Informationen aus dem Internet sensibilisieren, beispielsweise in Bezug auf Fake News oder Manipulation? Wie sollen wir uns in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Verkehr, autonome Maschinen/Fahrzeuge/Roboter entwickeln, um auch nächsten Generationen gute Chancen bieten zu können, im globalen Wettbewerb zu bestehen? Wie profitiert die Mittelschicht von neuen Technologien und ihren Möglichkeiten? Welche Schritte sind zu setzen, um die Bevölkerung über die Gefahren und Möglichkeiten im Umgang mit neuen Technologien zu schulen? Wie wird der Alltag in der digitalisierten Zukunft mit autonomen Fahrzeugen und humanoiden Robotern für Menschen aussehen? Werden wir immer noch einen zentralen Stellenwert einnehmen oder werden wir von überlegenen Algorithmen entmündigt werden?
Mitgestalten statt zusehen
Nur wer sich zu all diesen Themen eingehend Gedanken macht und sich in die Diskussion aktiv einbringt, wird zukünftige Entwicklungen mitgestalten und steuern können. Sich den Themen zu entziehen, kommt einer Realitätsverweigerung gleich. Anderen bei der Zukunftsgestaltung
zuzusehen und sich dann über die Ergebnisse zu beschweren, ist definitiv zu wenig und hoffentlich auch keine Haltung, die unsere Gesellschaft und Politik anstrebt.
Zur Einbindung der Sichtweisen und Anliegen junger Menschen veranstaltet ACADEMIA SUPERIOR jedes Jahr bereits im Vorfeld des Symposiums einen intensiven, interdisziplinären Workshop-Tag für Studierende unterschiedlichster Studienrichtungen. Vier von ihnen bekamen die Möglichkeit, als Mitglieder der Young Academia am SURPRISE FACTORS SYMPOSIUM teilzunehmen und gemeinsam mit den geladenen internationalen Expertinnen und Experten zur „Vermessung der Zukunft“ zu diskutieren.
Diese vier Studierenden nahmen am diesjährigen Symposium teil:
Alexander Grentner
Medizin- und Bioinformatik, FH HagenbergBarbara Angelika Siedler, BSc.
Industrial Design, Kunstuniversität LinzPhilip Tazl, BSc.
Philosophie, Universität Wien und Volkswirtschaft,
Wirtschaftsuniversität WienJulia Wiesinger, BA
Supply Chain Management, FH Steyr