Bis 2050 wer­den nach Mod­ell­rech­nun­gen 49 Prozent der Welt­bevölkerung kurzsichtig sein. Im Jahr 2000 lag dieser Wert noch bei 22,9 Prozent. Bis 2020 stieg er auf 33,9 Prozent an. Stärk­er als im glob­alen Durch­schnitt wird die Zunahme in Wes­teu­ropa sein. Beson­ders viele Kurzsichtige (vor allem unter Jugendlichen) find­en sich in Ost- und Südostasien, wo in einzel­nen Län­dern, wie Süd­ko­rea, Japan oder Tai­wan schon vor 10 Jahren Werte von 80 bis 95 Prozent Kurzsichtigkeit bei Kindern erre­icht wur­den.[1]

Geschätzte Prä­valenz von Myopie zwis­chen 2000 und 2050
Region Prä­valenz (%) in jed­er Dekade
2000 2010 2020 2030 2040 2050
Glob­al 22,9 28,3 33,9 39,9 45,2 49,8
Wes­teu­ropa 21,9 28,5 36,7 44,5 51,0 56,2
Ostasien 38,8 47,0 51,6 56,9 61,4 65,3

 

Kurzsichtigkeit oder Myopie ist eine Form von optis­ch­er Fehlsichtigkeit. Das ist meist Folge entwed­er eines zu lan­gen Augapfels oder ein­er für seine Länge zu starken Brechkraft sein­er optisch wirk­samen Bestandteile. Das Ergeb­nis ist ein Abbil­dungs­fehler, der weit ent­fer­nte Objek­te unschär­fer erscheinen lässt als nahe gelegene.

Ursachen

Früher dachte man, dass vor allem die Gene für die Entwick­lung von Kurzsichtigkeit ver­ant­wortlich sind. Mit­tler­weile wer­den aber andere Fak­toren wie der Lebensstil als gle­ich­w­er­tig oder wichtiger bew­ertet: Zu viel Sehen auf kurze Dis­tanzen (Lesen, Fernse­hen, gesicht­sna­h­es Arbeit­en) in Räu­men mit wenig Tages­licht und vor allem zu wenig Aufen­thalt an der Sonne im jun­gen Kind­heit­salter gel­ten derzeit in der Forschung als die wichtig­sten Ursachen, warum immer mehr Kinder eine Kurzsichtigkeit entwickeln.

Kleinkinder sind grund­sät­zlich weit­sichtig. Bis etwa zum Volkss­chu­lal­ter soll­ten sich die Augen sozusagen „scharf­stellen“. Das viele gesicht­sna­he Fokussieren der Augen im Wach­s­tum führt aber dazu, dass der Augapfel zu schnell wächst und zu lang wird – Kurzsichtigkeit entste­ht. Hinzu kommt: Durch den Ein­fall von hellem Tages­licht ins Auge wird Dopamin in den Zellen im Auge freige­set­zt, was ein zu schnelles Wach­s­tum des Auges ver­hin­dert. Kinder, die zu wenig Zeit im Freien ver­brin­gen, pro­duzieren zu wenig dieses wach­s­tumshem­menden Stoffes im Augapfel, der von der natür­lichen Entwick­lung jedoch vorge­se­hen wäre.

Kurzsichtigkeit verhindern: Tageslicht und Sehpausen

Die Lösung ist also eigentlich ein­fach: Kinder – auch Kleinkinder – möglichst wenig vor Bild­schirme wie TV und Smart­phone set­zen und möglichst viel Zeit im Freien ver­brin­gen lassen. Dann kann die Entwick­lung von Kurzsichtigkeit ver­hin­dert oder zumin­d­est stark gebremst wer­den. Die Ten­denz in der Forschung geht derzeit in die Rich­tung, dass das fehlende Tages­licht möglicher­weise der wichtig­ste Fak­tor beim Entste­hen von Kurzsichtigkeit ist.

Dass man auch als Gesellschaft wirk­same Maß­nah­men set­zen kann, zeigt das Beispiel Tai­wan: Bere­its vor einem Jahrzehnt litt auf dem Insel­staat fast jedes Kind unter ein­er Kurzsichtigkeit. Als die Ursachen bekan­nt wur­den, beschloss man mit Pro­gram­men im Bil­dungssys­tem gegen­zus­teuern. In Kindergärten wer­den täglich Stun­den im Freien ver­bracht und auch Schüler:innen soll­ten in der Schule täglich zwei Stun­den im Freien ver­brin­gen. Auch Pausen für gesicht­sna­h­es Arbeit­en wer­den gemacht. Nach 30 Minuten Lesen haben die Kinder 10 Minuten, in denen die Augen bezüglich Nah­e­se­hen pausieren. Das Ergeb­nis dieser und ander­er Maß­nah­men: Seit 2012 sind die Zahlen für Myopie in Tai­wan rück­läu­fig. [2]

Kurzsichtigkeit bremsen: Atropin, Linsen und Spezialbrillen

Eine Meth­ode, die seit eini­gen Jahre auch in Öster­re­ich prak­tiziert wird, um ein weit­eres Voran­schre­it­en ein­er beste­hen­den Kurzsichtigkeit zu brem­sen, ist die tägliche Gabe von starkverdün­nten Atropin­tropfen. Auch so lässt sich das zu starke Län­genwach­s­tum des Auges brem­sen oder ver­hin­dern.[3]

Seit ca. einem Jahr sind auch speziell geschlif­f­ene Bril­lengläs­er auf dem Markt, die das Licht brechen und so eben­falls das richtige Wach­s­tum des Auges fördern kön­nen.[4] Bere­its seit län­gerem gibt es Kon­tak­tlin­sen, die das Voran­schre­it­en ein­er Kur­sichtigkeit brem­sen können.

Folgen von Kurzsichtigkeit

Kurzsichtigkeit ist ein erhe­blich­er Risiko­fak­tor für die Entste­hung ein­er Vielzahl von Augen­erkrankun­gen. Men­schen, die eine starke Kurzsichtigkeit entwick­elt haben, haben später ins­beson­dere ein hohes Risiko, eine degen­er­a­tive Augen­erkrankun­gen wie Katarakt (Grauer Star), Glaukom (Grün­er Star), Net­zhautablö­sung und myope Maku­lade­gen­er­a­tion zu erleiden.

Der Vor­sorge im Kinde­salter sollte in Zukun­ft eine beson­dere Beach­tung geschenkt werden.

Hinweis:

Auf ihrer Web­site klärt die Öster­re­ichis­che Oph­thal­mol­o­gis­che Gesellschaft genau über Ursachen, Hin­ter­gründe und Präven­tion­s­möglichkeit­en von Kurzsichtigkeit auf: https://www.augen.at/myopie/

 

[1] Hold­en et al.: Glob­al Preva­lence of Myopia and High Myopia and Tem­po­ral Trends from 2000 through 2050. In: Oph­thal­mol­o­gy, Vol. 123, Issue 5, May 2016, 1036–1042. URL: https://doi.org/10.1016/j.ophtha.2016.01.006  [20.02.2023].

[2] Yang et al.: Preva­lence Trend of Myopia after Pro­mot­ing Eye Care in Preschool­ers. A Ser­i­al Sur­vey in Tai­wan before and dur­ing the Coro­n­avirus Dis­ease 2019 Pan­dem­ic. In: Oph­thal­mol­o­gy, Vol. 129, Issue 2, 181–190, Feb. 2022. https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0161642021006102 [21.02.2023]

[3] Wu et al.: Update in myopia and treat­ment strat­e­gy of atropine use in myopia con­trol. In:  Eye, Vol. 33, 3–13, 2019. URL: https://www.nature.com/articles/s41433-018‑0139‑7 [22.02.2023].

[4] Lam et al.: Defo­cus Incor­po­rat­ed Mul­ti­ple Segem­nts (DIMS) spec­ta­cle lens­es slow myopia pro­gres­sion: a 2‑year ran­domised clin­i­cal tri­al. In: BMJ 363–368 2020. URL: https://bjo.bmj.com/content/bjophthalmol/104/3/363.full.pdf  [20.02.2023].